Montag, 18. Juli 2011

Selbstbewusstes Wild

Meine Freundin P. lebt zusammen mit Mann und 12 Huskys in einem Haus in Alleinlage mitten auf einem 10000 qm Grundstück im Wald. Der Hundeauslauf befindet sich direkt vor dem Küchenfenster auf einer grossen Wiese. Letztens, so erzählte mir P. wäre sie ans Fenster geeilt, weil aus dem Auslauf aufgeregtes Heulen und Bellen zu hören war. Als sie in der Küche ankam, traf sie fast der Schlag: zwischen Wald und Hundeauslauf stand ein Rehbock auf der Wiese und knabberte sichtlich unbeeindruckt und genüsslich das frische Grün, keinen Meter vom Zaun und 12 stierenden und sabbernden Hunden entfernt. P sagte, dass die Hunde nach etwa 5 Minuten sich wieder ihren Geschäften gewidmet hätten und wieder eitel Ruhe im Hundelang geherrscht habe.
Rehe sind die coolsten Säue im Wald. Sowas abgezocktes wie Rehe hab ich was Wildtiere angeht noch selten erlebt. Dagegen sind Elche richtige Hysteriker. In meinem Wald treffe ich öfter mal auf Rehe und ich teile die Erfahrungen des besten Freunds von allen: manchmal kann man von Glück sagen, dass das augenscheinlich völlig gelangweilt glotzende Reh, es noch über den Weg schafft, bevor man es mit seinem Gespann eingeholt hat. Der beste Freund von allen merkte unlängst an, dass "diese Rehe vielleicht grad noch den Arsch zur Seite drehen, damit man vorbeikommt, das wär aber schon viel guter Wille". Komme ich mit den Hunden an einer bestimmten Wiese vorbei und die Rehe sehen mich schon von weitem, fahre ich weiter, die Hunde gucken nur, die Rehe gucken und sonst passiert gar nichts. Man kann die Rehe förmlich denken sehen: "Ach, die verrückte Olle schon wieder mit ihren verrückten Kötern".
Vor einer Weile fahre ich mit dem Team durch den Wald und sehe neben einem Holzstapel mitten auf dem Weg etwas stehen, was wie ein Weimaraner aussieht. Die Ohren des Leithundes gehen in dem Moment auch schon auf Hab-Acht-Position. Davon angesteckt auch die der Hunde dahinter. Dann wird natürlich angezogen - man muss ja wissen ob das nun ein Weimaraner ist oder nicht und was der hier im Wald meiner Hunde zu suchen hat - und dann stellte sich heraus dass der Weimaraner einen weissen Hintern und einen Kumpel hat. Zwei Rehe stehen nun auf dem Weg, 10 m entfernt. Die Rehe gucken mich an, ich gucke die Rehe an. Die Rehe scheinen sich kurz abzusprechen und staksen extrem relaxt wie ein Gangsterrapper aus der Bronx ein paar Meter vom Weg in den Wald. Dass sie nicht sagen "jo, man, geh doch vorbei, alder" ist alles. Aber es geht noch einen Zacken härter. Vor ein paar Jahren bin ich spät Abends durch den Wald gefahren. Ich hatte eine Stirnlampe dabei. Die Hunde bogen an einer Wegkreuzung wie verlangt rechts ab und ich leuchte für eine Sekunde in den Wald an der Kurve und wäre fast vor Schreck von der Karre gefallen: aus dem Wald leuchteten 3 Augenpaare zurück. Rehe. Sie standen keine 2 Meter vom Weg weg und glotzen mich an. Keins hat Anstalten gemacht sich vom Acker zu machen. Ich bin einfach weitergefahren. Wir Musher und die Rehe leben halt in friedlicher Coexistenz, aber manchmal sind sie in ihrer aufreizend lässigen Art echt der Hammer.
Wenn mir dann ein Waidmann erzählt, dass Schlittenhundegespanne die Rehe verscheuchen...

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