Der Frühling ist für den Musher hierzulande eine schlimme Jahreszeit. Temperaturen von bis zu 20 Grad plus, die ersten Krokusse im Garten, das infernalisch laute Vogelgezwitscher 5 Uhr in der Früh, sind untrügliche Zeichen dafür, dass die Saison langsam aber sicher dem Ende zu geht. Nach einem halben Jahr intensiver Trainingstätigkeit -eat-drink-live-Mushing- beginnt dann die lange Phase des Elends. Zur Untätigkeit verdonnert, weil man mit dem gemeinen Schlittenhund nichts mehr anfangen kann sobald das Thermometer über 10 Grad steigt, wird dem mitteleuropäischen Musher schlagartig bewusst, dass sein Leben sinnlos und langweilig ist. Draussen explodiert die Natur, Menschen um einen rum erzählen, dass endlich diese schlimme Jahreszeit vorbei ist (WTF????), freuen sich auf einen schönen, warmen Sommer mit Temperaturen über 30 Grad (plus natürlich) und der Musher kriegt die ersten Anzeichen einer ausgeprägten Sommerdepression.
Gerade gestern habe ich versucht Freunden von mir die Faszination von Urlaub in Schweden bei 2 m Schnee (trocken, pulvrig) vor der Haustür und Temperaturen von 20-30 Grad Minus nahe zu bringen. Ihre fassungslosen, erschrockenen Gesichter, das förmlich auf die Stirn gepinselte "Die Alte hat sie doch nicht mehr alle", haben mir zu Verstehen gegeben, dass das mit der Vermittlung der Faszination ganz klar im Ansatz stecken geblieben ist. "Und das Mittelmeer und Strandurlaub wär für dich so gar nichts???" (Grosse Augen, leicht hängender Unterkiefer, völlige Konsterniertheit bitte dazudenken).
Nä...been there, done that - dat is nix für mich.
Was aber ist diese Faszination, die minus 30 Grad haben? Was ist schön an zugefrorenen Nasenlöchern, dicken Eisklumpen auf den Wimpern und Atem, der sofort gefriert sobald er an deiner Mütze aufgestiegen ist? Es ist die Klarheit der Luft bei diesen Temperaturen, man kann die Frische, die Sauberkeit bis ins letzte Lungenbläschen spüren. Es ist das wunderbare Knirschen wenn man auf Schnee läuft, das nur bei diesen Temperaturen genau so klingt. Es sind die Sonnenaufgänge, die aussehen als hätte jemand aus seinem Farbkasten alle Rot-Gelb-und Orangetöne an den Himmel geworfen. Es ist das grandiose völlig unechte Knallblau des Himmels. Es ist das Wissen um das Extreme dieser Temperaturen, das Wissen, das man sich in diesem Bereich noch gut fühlt und auch diesen widrigen Elementen trotzdem kann, sie im gewissen Sinn beherrschen kann. Man fühlt sich ein bisschen wie Roald Amundsen und Robert Scott, wie Jack London, wie ein Polarforscher, wie ein Abenteurer. Fern ab von der beherrschbaren, vorhersehbaren wohltemperierten Alltagsumwelt kann man dort oben bei minus 30 Grad jederzeit zum Fischstäbchen gefrieren.
Und das soll jetzt nicht faszinierend sein?
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